Impulse von Silvia zu Vergebung, Verzeihung, Entschuldigung

In der dieser Podcast Folge fällt auch das Wort «sich selber um Verzeihung bitten, sich bei sich selber Entschuldigen». Was heisst denn Verzeihung, Entschuldigung oder sogar Vergebung? Da es im Podcast nur am Rande erwähnt wurde, hier ein paar Impulse dazu:

  • Vergebung: Vergebung bedeutet, die negativen Gefühle und Einstellungen gegenüber jemandem, der einen verletzt hat, beiseite zu legen und den Groll zu überwinden. Es geht darum, die Person von der Schuld freizusprechen und die Verletzung zu akzeptieren.
  • Verzeihung: Jemanden von etwas freisprechen; Jemandem von einer Handlung oder Unterlassung entschuldigen. Zum Verzeihen gehört die bewusste Überwindung des eigenen Grolls und Schmerzes, was in Folge die bisherigen negativen Gedanken, schlechte Gefühle und auch die damit oft einhergehenden psychosomatischen Reaktionen auslöschen kann.
  • Vergeben vs. Verzeihen:Verzeihen ist oft ein erster Schritt zur Vergebung, bei dem man das Verhalten des anderen annimmt, aber noch keine tiefe Vergebung vollzogen ist. Vergeben hingegen ist ein tieferer Prozess, bei dem man die Person von der Schuld freispricht und den Groll überwindet.
  • Entschuldigen: Eine Entschuldigung ist im Wortsinne eine Schuldbefreiung, die zu den Umgangsformengehört. Im korrekten Sinn ist die Bitte um Entschuldigung jedoch nur eine Höflichkeitsfloskel, die Mitgefühl für Geschehnisse ausdrückt, die zwar in Zusammenhang mit der bittenden Person stehen, für die sie jedoch keine Verantwortung hat (etwa für ein Malheur). Eine anerkannte Schuld für eine fehlerhafte HandlungDuldung oder Unterlassung wird nur durch eine Bitte um Verzeihung ausgedrückt. Im allgemeinen Sprachgebrauch werden Entschuldigung und Verzeihung jedoch meist synonym gebraucht. Der Geschädigte kann die Entschuldigung annehmen oder ablehnen.
  • Entschuldigen vs. Vergeben: Vergebung beginnt mit der Anerkennung und Selbsterkenntnis des Schadens, den Sie angerichtet haben, und dem Ausdruck dessen. Eine Entschuldigung könnte oberflächlich sein, ohne das Ausmaß des Schadens zu erkennen, den Sie verursacht haben.
  • Selbstvergebung: Selbstvergebung bedeutet, sich selbst für vergangene Fehler, Entscheidungen oder Handlungen zu verzeihen und die damit verbundenen negativen Gefühle wie Schuld, Scham oder Enttäuschung zu verarbeiten. Es geht darum, die eigene Vergangenheit anzunehmen, loszulassen und einen Weg zur Heilung und zum persönlichen Wachstum zu finden.

Verstehen und Vergeben

Vergebung ist ein Aspekt der Liebe. Negative Gedanken und Einstellungen dagegen halten die Liebe auf Distanz. Es ist unmöglich, herablassend über jemand anderen zu denken und zu sprechen und zugleich in innerem Frieden mit sich selbst zu leben.

Vergebung ist deshalb der Schlüssel zu eigenem innerem Frieden, indem unsere ängstlichen und zornigen Gedanken in Liebe verwandelt werden.

Der Satz: «You have to feel it, to heal it.» bringt die Ausgangslage gut auf den Punkt.
Wir haben oft Schwierigkeiten, uns und anderen zu vergeben. Wir empfinden berechtigten Zorn, den wir nicht so schnell loswerden, weil wir uns unfair behandelt fühlen oder enttäuscht sind. Nicht selten hindern uns stets wiederkehrende negative Gedanken an Vergangenes daran, unsere innere Mitte zu finden. Dabei können wir die Vergangenheit nicht ändern, wohl aber die Gedanken über die Vergangenheit – indem wir vergeben.

Vergebung handelt weniger davon, andere Menschen zu befreien, indem wir ihnen nichts mehr nachtragen. Echte Vergebung befreit in erster Linie dich selbst, indem du dich aus der Spirale von negativen Gedanken oder Gefühlen entlässt. Und wenn du dich daraus wirklich befreit hast, hast du keinen Grund und kein Bedürfnis mehr, anderen etwas aus der Vergangenheit nachzutragen.

Somit profitieren du und dein Gegenüber gleichermassen.

Du weisst, dass die Vergebung vollendet ist, wenn du in der Lage bist, dem anderen Verständnis und Wärme entgegenzubringen und ihm/ihr reinen Herzens nur das Beste wünschst.

 

Nelson Mandela

Nelson Mandela schrieb über den Moment seiner Entlassung aus 27 Jahren Haft aufgrund seiner Bemühungen für Gleichstellung von schwarzen und weissen Bürgern Südafrikas: «Als ich aus der Tür trat, hin zum Tor, das mich zu meiner Freiheit führen würde, wurde mir bewusst, dass ich immer noch im Gefängnis bleiben würde, wenn ich die Verbitterung und den Hass nicht hinter mir lasse.»

Anstatt Rache zu nehmen, arbeitete Mandela mit südafrikanischen Politikern, durch die er gelitten hatte, zusammen, um seine Arbeit der Gleichstellung fortzusetzen. Mandela hatte erkannt, dass er seinen Schuldigern vergeben musste, um wirklich frei zu sein. Er sagte: «Vergebung befreit die Seele, sie löst die Furcht auf. Aus diesem Grund ist sie eine solche wirkungsvolle

Waffe.» Aus diesen Worten wird deutlich, dass nur Handlungen, die von Liebe und nicht von Furcht getrieben sind, nachhaltigen inneren und äusseren Frieden bringen. Ein Zeichen der Versöhnung setzte Mandela, als er einen seiner weissen Gefängniswärter zu seiner Einweihungsfeier als Präsident Südafrikas als Ehrengast einlud. Sicherlich ist das Ausmass von Mandelas Einsatz, seines Leids und seiner Fähigkeit zur Liebe und Vergebung aussergewöhnlich. Nichtsdestotrotz besitzen wir alle diese menschlichen Fähigkeiten zu Liebe, Verstehen und Vergeben.

Vergebung – so wie auch Mitgefühl – wird häufig missverstanden. Vergebung bedeutet nicht, unethisches und schädliches Verhalten gutzuheissen und meine Werte und Schützenden Grenzen aufzugeben. Vergebung ist weise, weil die vergebende Person verstanden hat, was die Person, die den anderen verletzt hat, bewegt hat, so zu handeln, und welche Ressourcen diese Person zu Einsicht und zu Rehabilitation hat. Vergebung geschieht nicht per Knopfdruck, sondern ist ein Prozess. Ein erzwungenes oder unterwürfiges «Es tut mir Leid», das aus Angst vor Verlust oder Bestrafung geschieht, hilft nicht, denn es hat nur das Ziel, das Gegenüber zu beschwichtigen. Echte Vergebung kann zwar die gleichen Worte beinhalten, entstammen aber einem persönlichen Bedürfnis, also aus freiem Willen und mit einer darauffolgenden Handlung zur Wiedergutmachung oder als symbolischer Akt: Sich tief in die Augen schauen, sich umarmen, wieder gemeinsam Lachen können, zusammen etwas Kochen, etwas gemeinsam unternehmen, etwas wieder herstellen …

Zum Verständnis von Vergebung gehört ein persönlicher innerer Prozess. Mitgefühl, also Empathie hilft uns, Verletzungen zu umsorgen und loszulassen – Schritt für Schritt. Wir alle müssen immer wieder erkennen, wie unglaublich gross die Energie und Macht von Wut oder ohnmächtigem Frust und anderen grossen Gefühlen sein kann. So können diese eine Dominanz entwickeln, dass wir zeitweilig vielleicht sogar die Kontrolle über unsere Worte oder Handlung verlieren. Das entschuldigt das Verhalten nicht, aber es hilft uns, unsere Fehlbarkeit anzuerkennen, zu vergeben und daraus zu lernen – immer wieder neu.

«Niemand wird geboren, um einen anderen Menschen zu hassen. Die Leute müssen lernen zu hassen. Und wenn sie lernen zu hassen, können sie auch lernen zu lieben. Selbst in den dunkelsten Zeiten im Gefängnis, als meine Kameraden und ich grösste Not litten, sah ich manchmal die Menschlichkeit in den Augen eines Wärters, wenn auch nur für eine Sekunde, doch lange genug, um mir Sicherheit zu geben und mich aufrecht zu halten. Die Güte des Menschen ist eine Flamme, die manchmal verborgen ist, doch niemals erlöschen kann.» (Nelson Mandela: Der lange Weg zur Freiheit)

Inspiriert durch meinen ehemaligen Dozenten Felix Jäggi